Startseite => Schulisches => Bibliothek & Campusmuseum => Campusgeschichte

Campusgeschichte

Bau der Bismarckkaserne


Die abwechslungsreiche Historie des Gmünder Campus ist sowohl von der militärischen als auch der zivilen Nutzung des Geländes geprägt, deren Vorgeschichte weit vor dem Bau der eigentlichen Bismarck-Kaserne beginnt. Bedingt durch den Frieden von Luneville im Jahr 1801 und den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 verlor die damals rund 15.000 Einwohner fassende katholische Stadt Schwäbisch Gmünd ihren Status als Freie Reichsstadt und fiel im Rahmen dieser Mediatisierung unter die Herrschaft des neu entstandenen Königreich Württembergs. Den Widerstand und Unmut der Gmünder Bürger gegenüber dem neuen protestantischen Herrn aus Württemberg brach König Friedrich durch einen symbolischen Akt, indem er nicht nur das als „Prediger“ bekannte und mitten im Zentrum gelegene Dominikaner-Kloster aufhob, sondern genau hier eine Kaserne für seine Soldaten einrichten ließ. Um die Jahrhundertwende 1900 entsprach dieses Gebäude allerdings nicht mehr den neuzeitlichen Ansprüchen, so dass man sich nach einem Gelände für einen Neubau außerhalb der Stadtmauern umschaute. Unter Kaiser Wilhelm II. strebte das seit 1871 existente Deutsche Kaiserreich mittlerweile nach mehr Macht und Einfluss in der Welt, nach seinem eigenen „Platz an der Sonne“, wofür es zu militärischen Aufrüstungen kommen musste: Die Friedensstärke des deutschen Heers stieg von 493.000 Mann im Jahr 1893 auf bewilligte 793.000 Mann im Jahr 1914. Der Neubau einer Kaserne war wie die Stationierung einer neuen Garnison sehr lukrativ, waren damit doch Impulse für die Wirtschaft sowie soziales und politisches Prestige verbunden. Schwäbisch Gmünd erhielt letztlich nicht nur die Zusage für ein neues Kasernengelände, sondern auch ein neues Bataillon sowie eine Maschinengewehrkompanie des 10. Württembergischen Infanterieregiment 180. Der Name des Regiments verrät nebenbei sehr viel über den schon damals ausufernden bürokratischen Stolz der Deutschen, da die 10 auf die regionale, nämlich die württembergische Zählung, und die 180 auf die staatliche Zählung zurückgeht und keiner dem anderen das alleinige Namensrecht zugestehen wollte. 1913 wurde die Bismarckkaserne fertiggestellt und bezogen. 

Erster Weltkrieg


Nur ein Jahr später eskalierte die Balkan-Krise im Anschluss an die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajevo und löste einen Flächenbrand aus, der zum Beginn des Ersten Weltkriegs und damit zur vollständigen Mobilisierung des Infanterieregiments 180 führte. Die Bismarck-Kaserne wurde von nun an von Landwehr-Truppen und verschiedenen Ersatz-Bataillonen zur Vorbereitung auf den Dienst an der Front genutzt. Zusammen mit zurückkehrenden Verwundeten und Kriegsgefangenen kam es bis zum Kriegsende zu einer großen Fluktuation an Soldaten, die teilweise aufgrund mangelnder Kapazitäten in umliegenden Gasthäusern untergebracht werden mussten.
 
Mit der Mobilmachung der Truppen am 1. August 1914 wird in der Geschichtswissenschaft häufig das sogenannte „Augusterlebnis“ verbunden, das eine leidenschaftliche Kriegsbegeisterung und einen ungebremsten Optimismus der Soldaten umschreibt, bis Weihnachten siegreich zurück zu sein. Die Realität jedoch war gerade in ländlichen Regionen vielschichtiger, was auch ein Blick in die Gmünder Kriegschronik von Georg Stütz zeigt: „Mobilmachung! Man ist zunächst stumm von Entsetzen; man lässt schweigend die Köpfe hängen, des furchtbaren Ernstes der kommenden Ereignisse sich bewusst; man fühlt die dröhnenden Riesenschritte der Weltgeschichte. Aber rasch wird der Bann gebrochen. In hellen Flammen lodert die Vaterlandsliebe aus allen Herzen empor.“ (Stütz, 1928) Die vorher politisch und sozial gespaltene Gesellschaft des Kaiserreichs erlebte ein ungekanntes Wir-Gefühl, das noch Jahre danach mythisch überhöht werden sollte. Alle Begeisterung, alle Musik auf den Straßen und all die vermittelte Aufbruchstimmung konnte aber die ernsteren Nebengeräusche nicht gänzlich tilgen: „In den Augen vieler Frauen, Mütter und Kinder standen Tränen“ (Stütz, 1928). De facto war die Stimmung in den Straßen Gmünds zu dieser Zeit äußerst gereizt, was sich in einer auf nicht verifizierbaren Gerüchten aufbauenden Paranoia zeigte. So vermutete man überall feindliche Spione, ging gar von einem in Gmünd vereitelten Anschlag zur Sprengung der Neckarbrücke im nahegelegenen Stuttgart aus und ließ die Ausgänge der Stadt bewachen und durchfahrende Autos kontrollieren. 
 
Zum Ausmarsch der Truppen veranstaltete die katholische Kirche in der Bismarckkaserne, dem heutigen Schulgelände, einen großen Feldgottesdienst, bei dem an die Freiheitskämpfer der deutschen Befreiungskriege gegen Napoleon erinnert und das ungebrochene Vertrauen auf Gott betont wurde: „Heute haben wir noch schwerere Zeiten als damals. Aber wir verzagen nicht. Wenn die Not am größten, ist die Hilfe Gottes am nächsten.“ (Stütz, 1928).


Doch die Sorgen der Bürger und Soldaten sollten sich nicht nur bewahrheiten, sondern in bis dato unvorstellbare Dimensionen steigern, war dieser Krieg doch ganz anders, als man es von Veteranen der deutschen Einigungskriege im 19. Jahrhundert erzählt bekommen hatte. Um trotz aller auch in der Heimat zu spürenden Entbehrungen die gewünschte patriotische Kriegsstimmung in der Jugend aufrecht zu erhalten und diese militärisch zu aktivieren, veranstaltete man seit Beginn der Kämpfe Kriegsspiele in Gmünd und Umgebung, bei denen spätestens ab 1915 auch schon Sechsjährige teilnehmen konnten. Ausstaffiert mit Helmen aus Papier und von stationierten Soldaten und französischen Kriegsgefangenen geliehenen Militärmützen machte man so spielerisch Exerzier- und Feldübungen, was nicht nur in bürgerlichen Kreisen als attraktive Freizeitbeschäftigung angesehen wurde. Jugendliche ab 16 Jahren fanden sich dann in den Jugendwehren zusammen, deren Übungen schon einen deutlich realistischeren Anstrich erhielten und als Vorbereitung auf die Zukunft dienten, da viele dieser Jugendlichen doch schon bald an die Front eingezogen wurden. Kriegsspiele und Jugendwehr war für die Kinder der ländlichen Umgebung jedoch weniger anziehend, da hier jegliche Arbeitskraft für den Einsatz in der Landwirtschaft benötigt wurde. 
 
Die Kirche sah sich neben den steigenden Anforderungen an die Seelsorge mit einer Veränderung der zuvor strikten Sexualmoral konfrontiert. Die Gmünder Frauen hatten ihren Platz im Haushalt längst verlassen und mussten die Berufe ihrer an die Front berufenen Männer ausüben. Junge Mädchen sorgten sich angesichts des Männermangels um ihre Zukunft und ließen sich unter anderem mit den in den Kasernen und Lazaretten befindlichen fremden Soldaten ein, die zum Entsetzen der katholischen Geistlichen auch noch größtenteils Protestanten waren. Allgemeine Trauer rief dann der „Einzug“ der Glocken an die Front hervor, wo sie zu Kriegsmaterial umgestaltet wurden: „Von fast allen Häusern regnete es Blumen auf die scheidenden, ehernen Krieger. Viele Tränen flossen. Am Güterbahnhof hielt der Zug. Der Priester sprach ein ergreifendes Gebet; ein Offizier hielt eine zündende Ansprache“ (Stütz, 1928). Von Gmünd aus an die Front, das bedeutete für die Soldaten zumeist den Weg nach Westen zu den großen Schlachtfeldern an der Somme oder in Verdun.

Weimarer Republik


Georg Stütz erinnert in seiner Chronik eindrücklich an den Moment der Rückkehr der ersten Soldaten und den frappierenden Kontrast zum Auszug in den Krieg, zum vermeintlichen Augusterlebnis: „Am 13. November kamen die ersten Feldtruppen auf der Heimkehr durch unsere Stadt. Etwa ein Dutzend sächsischer Feldküchen, mit abgemagerten Pferden bespannt, fuhr im Abenddämmer durch die Straßen. Darauf saßen müde, traurige Soldaten, die nicht auf- und nicht umschauten. Kein Willkomm, kein Zuruf begrüßte sie. Schweigend starrte man sie an. Auszug und Rückkehr – ein erschütternder Gegensatz!“ (Stütz, 1928). Die veränderte politische Lage führte auch in Gmünd bereits am 10. November 1918 zur Bildung eines Arbeiterrates, dem sich unter anderem die in der Bismarckkaserne stationierten Soldaten zunächst nur widerwillig anschlossen. Die mangelnde revolutionäre Grundstimmung und die allgemeine Unsicherheit im Hinblick auf die politischen Verantwortlichkeiten sollte den Soldatenrat auch in den nächsten Wochen prägen, jedoch bewährte er sich dann im Frühjahr 1919 im Einklang mit dem landesweiten Ebert-Groener-Pakt, einem Bündnis zwischen dem späteren Reichspräsidenten Friedrich Ebert und dem württembergischen General Wilhelm Groener zur Abwehr linksradikaler Umbruchsversuche. So wurden mit Unterstützung von Freikorps alle Aufstände der Kommunisten in Gmünd unterdrückt und eine halbwegs geregelte Wahl zur Weimarer Nationalversammlung ermöglicht. Im Anschluss an die Wahl übernahmen derartige Aufgaben dann die eingesetzten „Sicherheitskompanien“, welche aus den Gmünder Kasernen neben Freiwilligen auch Waffen und Ausrüstungsgegenstände erhielten. In der Stadt selbst sollte es am 16. März 1920 nochmals turbulent werden, als in Folge eines Generalstreiks die Kommunisten erneut radikale Forderungen bis hin zum Anschluss Deutschlands an Russland erklingen ließen und die Reichswehr zum Schutz mit 80 Mann und etlichen Maschinengewehren das Rathaus besetzte. Dies stieß jedoch auch bei den Ratsherren nicht auf Gegenliebe, zumal die Situation durch die gesteigerte Präsenz des Heeres zeitweise gar zu eskalieren drohte und es zu Verhaftungen und abgegebenen Schüssen gekommen ist. Das Kommando über die Reichswehrsoldaten hatte damals übrigens der noch junge Erwin Rommel, der im Nationalsozialismus dann als „Wüstenfuchs“ einen bis in heutige Tage reichenden, mitunter verklärten Legendenstatus erhalten sollte. 
 
Die Bestimmungen des Versailler Vertrags von 1919 sahen vor, dass Deutschland nur noch eine 100.000 Mann starke Armee unterhalten durfte, so dass auch in den Gmünder Kasernen die Zahl der stationierten Soldaten reduziert werden musste. Die Bismarckkaserne beheimatete nun zunächst Ausbildungskompanien und ein Bataillonsstab des neugebildeten I. Bataillon des Infanterie-Regiments Nr. 13. 
 

NS-Zeit bis 1939


Erst die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten sollte den Fokus erneut auf die Kaserne richten, in welcher zunächst am 21. März 1933 eine große Feier mit einem Altar im Hof der Bismarckkaserne zelebriert wurde. Anlass war der sogenannte „Tag von Potsdam“, an dem Hitler und Hindenburg den neugewählten Reichstag in der Garnisonskirche in Potsdam mit viel Spektakel eröffnet hatten. Ein Fackelzug von der Bismarckkaserne bis zum Marktplatz wurde im Anschluss von einer begeisterten Menschenmenge begleitet. 
 
An dieser Stelle, nämlich dem unteren Marktplatz in Schwäbisch Gmünd, sollte dann zwei Jahre später nach langen Diskussionen auch ein Kriegerdenkmal entstehen, was den Gefallenen des Ersten Weltkriegs gewidmet wurde. Die Einweihung fand am 9. November 1935 und somit zwölf Jahre nach dem gescheiterten Hitler-Putsch statt, wodurch die Nationalsozialisten unmittelbare Analogien zwischen den beiden Opfer-Gruppen herstellten, was beispielsweise auch die Rede von Oberstleutnant Knoerzer demonstrierte: „Beide, die Kämpfer des großen Krieges und die Kämpfer der nationalsozialistischen Bewegung, beseelte und trug der eine große heilige Glaube, der Glaube, für ein schönes, großes, erhabenes Deutschland zu kämpfen und zu sterben, für ein Deutschland, in dem Schlechtigkeit und Eigennutz verbannt und wo Treu und Ehre wieder in ihre alten Rechte eingesetzt sind.“ (Fritz, 2014). Knoerzer prangerte in seiner Rede auch die Zeit der Weimarer Republik an, in welcher die Erinnerung an die Leiden und großen Opfer des Ersten Weltkriegs in Vergessenheit geraten wären. Die Nationalsozialisten wussten dieses Vakuum also zu füllen und im Sinne der eigenen Propaganda zu inszenieren. Sie erzeugten eine fatale Sinnhaftigkeit für die Hinterbliebenen, die den Tod ihrer Angehörigen nun erneut als Teil einer größeren Sache begreifen sollten, deren grausame Implikation im Erleben politischer Feierlichkeiten bei nächtlichem Fackelschein noch nahezu gänzlich verborgen blieb. 
 
Die NS-Politik hatte in den Folgejahren mehr oder weniger unverhohlen die Pläne zur erneuten Aufrüstung vorangetrieben, so dass bis zum Winter 1937 auch das Gelände der Bismarckkaserne um weitere Mannschaftshäuser erweitert wurde, in denen heute die Schülerinnen und Schüler des Landesgymnasiums ihre Internatsräume besitzen. Das Foto eines Appells im vorderen Hof der Kaserne, das zwischen 1936 und 1939 aufgenommen wurde, zeigt den Weg an, welchen Deutschland, Gmünd und die hier stationierten Soldaten eingingen, an dessen Ende erneut viel Leid und zahlreiche Opfer stehen sollten. Zwischen den deutlich zu sehenden Gebäuden liegt unscheinbar und verdeckt ein weiteres Gebäude, das zu dieser Zeit als Geräteschuppen diente und seine spätere Funktion als Campusmuseum und Bewahrer der Geschichte des Ortes noch nicht erahnen ließ. 

Quellen- und Literaturverzeichnis


Bildverzeichnis (gemäß Reihenfolge im Artikel)
 
Abb. 1:   Foto von Soldat der Bismarckkaserne um 1914, Fotograf: Karl-Otto-Lang, Stadtarchiv Schwäbisch Gmünd, Bestand E06 Nr. 14 / CC-BY-SA 3.0 DE.
 
Abb. 2:   Feldgottesdienst vor dem Ausmarsch, 8. August 1914 in der Bismarckkaserne, Fotograf unbekannt, in: Stütz (1928), S. 15. 
 
Abb. 3     Foto der Bismarckkaserne (zw. 1936-1939), Erinnerungsstele zu Haus 19/20 in der Bismarckkaserne in Schwäbisch Gmünd
 
 
Quellenverzeichnis
 
- Stütz, Georg (1928). Gmünd im Weltkrieg. Chronik. WLB Stuttgart.
 
 
Literaturverzeichnis
 
- Fritz, Gerhard (2014). Schwäbisch Gmünd und der Erste Weltkrieg. Einhorn-Verlag Schwäbisch Gmünd.
 
- Laduch, Manfred & Schütte, Heino & Wagenblast, Reinhard (1990). Mutlanger Heide. Ein Ort macht Geschichte. Remsdruckerei Sigg.
 
- Müller, Ulrich (2003). Vom Musketier zum GI. Geschichte der Gmünder Garnisonen. Einhorn-Verlag Schwäbisch Gmünd.
 
- Verhey, Jeffrey (2000): The Spirit of 1914. Militarism, Myth, and Mobilization in Germany. Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/CBO9780511497155

 
Landesgymnasium für Hochbegabte
mit Internat und Kompetenzzentrum
             Universitätspark 21
73525 Schwäbisch Gmünd
             07171. 104 38 100
info@lgh-gmuend.de


Impressum    Datenschutz    Kontakt